Juli 2017 - Ausgabe 191
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An Bord der Dumra von Klaus Ulrich Kurpiers |
Am 9. Oktober 1965 lief die Dumra aus. Ich stand an der Reling und sah den Hafen entschwinden, in dem ich so oft gearbeitet, geschwitzt und gehofft hatte, und trotzdem war mir etwas wehmütig zumute. Vor der Abreise hatten wir unsere letzten Rupien zusammengelegt und in der Markthalle einen ganzen Sack Apfelsinen, Mandarinen und Bananen gekauft, wegen der Vitamine. (...) Von meinem Schlafsack aus war die Waschanlage zwei Meter entfernt die Waschanlage für das gesamte Zwischendeck. Sie bestand aus einem winzigen Wasserhahn, dessen Strahl in einen kleinen, 60 Zentimeter langen Ausguss floss. Hier wuschen sich jeden Morgen 300 Araber und Inder und warteten in langen Schlangen darauf, daß sie an die Reihe kamen. Zuerst nahmen sie einen Schluck, dann begannen sie zu gurgeln. Dabei spuckten sie wie Ertrinkende und machten einen solchen Lärm, daß man denken konnte, man wäre von wilden Tieren umgeben. Der Speichel hing ihnen in langen Fäden herunter, die Adern schwollen an und die Augen tränten. Nachdem endlich alle Flüssigkeiten im Waschbecken verschwunden waren, liefen sie darunter wieder heraus, da das Abflussrohr fehlte, das Rinnsal bahnte sich durch eine Rille im Boden den Weg. Dies wiederholte sich morgens um fünf dreihhundert Mal und abends wieder. (...) Der Essraum bestand aus einem riesigen Verschlag. Als Tische dienten roh zusammengezimmerte Brettergestelle, wie man sie bei uns in Baubuden findet. Die Bänke desgleichen. Jeder bekam einen Teller mit Reis, einer Art Gemüse und Fleisch, und die Soße war so scharf, daß man sie beim nächsten Stuhlgang noch zu spüren bekam. An jedem Tisch saßen 14 Mann, für die drei Karaffen mit Wasser zur Verfügung standen, aber nur vier Gläser. Unter normalen Umständen hätte man damit auskommen können, aber nicht mit Indern, die gerade beim Essen sind: Mit der rechten Hand, bzw. den Fingern der rechten Hand, nahmen sie den Reis, tunkten ihn in die Soße, rollten das Ganze im Handteller zu einer Kugel zusammen und steckten diesen Ballen dann in den Mund. Wenn sie nun Durst bekamen, griffen sie mit ihren völlig beschmierten Händen nach den Gläsern, von denen vor lauter Reis an den Wänden bald nichts mehr zu sehen war. Eine Beschreibung der Toiletten spare ich mir an dieser Stelle lieber. (...) Nach einigen Tagen sah das Schiff aus wie ein Saustall. Überall lagen Abfälle, Kot, große Lachen Betel, die die Inder ausspuckten, wo immer sie gerade standen. Das ganze Schiff lag unter einer übelriechenden Dunstglocke. Aber das Meer war ruhig wie ein Dorfteich, glutrot wie eine Orange kam und ging jeden Tag die Sonne. • Die Open Page ist unsere journalistisch literarische Open Stage. Sie bietet Platz für Texte, die aus dem üblichen Rahmen fallen. Schreiben Sie uns! |